Zwischen Moral und Musik – Zusammenfassung

Wenn wir Sätze sagen wie “Das Conne Island entscheidet…” oder “Das elipamanoke macht…”, nutzen wir eine praktische Verkürzung. Doch in Wirklichkeit sind es nicht die Clubs selbst, die diskutieren und entscheiden. Es sind die Menschen dahinter—diejenigen, die sich engagieren, abwägen, streiten und letztlich Entscheidungen treffen, die oft im Fokus der Öffentlichkeit stehen und manchmal kritisiert werden.

Am 24.08.2024 beim Popfest Leipzig in der Moritzbastei haben Andy (Geschäftsführer des elipamanoke), Jan (Booking im Conne Island) und Philipp (Mitglied des Vorstandes des Vereins hinter den TV-Club Leipzig) auf dem Panel “Zwischen Moral und Musik: Wie kommen Spielstätten in Leipzig zu wertebasierten Entscheidungen” seltene Einblicke gewährt. Sie diskutierten – moderiert von Anna Petzold – über Abläufe und Strukturen, die sonst wenig sichtbar sind.

Wir haben dieses Panel zum Anlass genommen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Wir möchten damit zeigen, wie unterschiedlich – eigen – vielfältig und auch demokratisch die Strukturen der Leipziger Spielstätten wirklich sind, wie die Menschen in den Spielstätten auf ihre eigene Art wertebasierte Entscheidungen treffen —und warum es sich lohnt, genauer hinzuschauen und nicht zu verkürzen.

Das Panel wurde organisiert vom LiveKommbinat Leipzig e.V. als Teil des Popfest Leipzig 2024.


Entscheidungsfindung: Vielfalt der Strukturen und Prozesse

Die Art und Weise, wie grundsätzliche Entscheidungen in den Spielstätten getroffen werden, unterscheidet sich bereits innerhalb der Strukturen der Spielstätten.

Conne Island: Als Verein legt das Conne Island großen Wert auf das Konsensprinzip. Jan erläutert: “Bei uns müssen alle zustimmen, bevor ein Beschluss gefasst wird. Das führt zu langen, aber notwendigen Diskussionen, um vielfältige Meinungen zu berücksichtigen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden.”

TV-Club: Ebenfalls ein Verein, hier genügt jedoch der Mehrheitsentscheid in den jeweiligen Vereinsgremien. Philipp berichtet: “Wir diskutieren intensiv, aber am Ende entscheidet die Mehrheit. So bleiben wir handlungsfähig und können dennoch viele Stimmen einbeziehen.”

elipamanoke: Als inhabergeführter Club trägt Andy die alleinige Verantwortung, bezieht aber sein Team regelmäßig ein. “Ich begegne meinem Team auf Augenhöhe. Wenn jemand eine Idee hat, diskutieren wir sie und setzen sie oft gemeinsam um.” Dieses partizipative Vorgehen ermöglicht schnelle Entscheidungen und fördert die Mitarbeiterzufriedenheit.


Beispiele

Community-Ticket im elipamanoke: Auf Initiative des Teams wurde ein vergünstigtes Ticket eingeführt. Andy erzählt: “Unser Team merkte an, dass viele sich den Eintritt nicht leisten können. Innerhalb kurzer Zeit haben wir das Community-Ticket umgesetzt, um, eine Möglichkeit anzubieten, für deutlich weniger Eintrittsgeld Zugang in unseren Club zu bekommen”

Was kommt auf den Grill im TV-Club?: Philipp berichtet über die Entscheidungsfindung bezüglich des Grillangebots und der Angebots- und Preisfindung.. Es stellte sich die Frage nach der Vertretbarkeit von Einkauf von günstigem Fleisch in Abwägung gegen einen Preis, der den Prinzipien des TV-Clubs entspricht(als Studentenclub der Tierproduzenten und Veterinärmediziner wohlgemerkt). Philipp berichtet: “Als Club mit veterinärmedizinischem Hintergrund entschieden wir uns nach Diskussionen für Bio-Fleisch, auch wenn es teurer ist.”

Diskussionen im Conne Island: Jan beschreibt die wöchentlichen, öffentlichen Plena: “Es gibt naturgemäß viele Meinungen. Unsere Herausforderung ist es, mit guten Argumenten und Kompromissen alle unter einen Hut zu bringen.” Diese intensive Auseinandersetzung spiegelt das demokratische Selbstverständnis des Clubs wider.


Wie werden eigene Werte kommuniziert?

Awareness-Angebote im elipamanoke: Beim eli gilt der Grundsatz: Kein Rassismus, Sexismus, keine Gewalt und Homophobie. Kurz: “Rave Hard, be nice”. Ein geschultes Awareness-Team kümmert sich um interne (am Veranstaltungsabend) und externe Anliegen. Auf diesem Wege teilen wir unsere Erwartungen an die Gäste mit. “Wir reagieren auf E-Mails und Social Media Posts und streben eine gewaltfreie Kommunikation an”, so Andy.

Positionierung des TV-Clubs: Die Grundsätze des Vereins sind auf der Website schriftlich festgehalten, ohne explizite politische Stellungnahmen. Philipp erklärt: “Wir sind neutral, aber Toleranz und das Achten der Grenzen anderer sind uns wichtig. Wer diese missachtet, muss gehen.”

Politische Haltung im Conne Island: Als linker Laden ist das Conne Island ausdrücklich politisch. Jan meint: “Wir nutzen Statements, um uns zu positionieren. Dennoch haben wir intern oft Diskussionen darüber, wie und wann wir das tun sollten.” Bei Konflikten, wie dem Tragen der Kufiyah, wird die Thematik intensiv besprochen, um eine gemeinsame Linie zu finden.


Ist es nötig alles auszubuchstabieren?

Auf die Frage, ob Werte verschriftlicht werden müssen, meint Jan: “Nicht unbedingt, aber Statements können helfen, sich zu positionieren. Gerade auf Social Media tun sich derzeit Abgründe auf.” Bei der Kufiyah haben die Menschen im Conne Island eine klare Position gefunden: das Tragen ist im Island nicht gestattet. Sie möchten sich aber der Kritik stellen wie zuletzt mit öffentlichen Statements. Diese werden aber intern sehr wohl ambivalent diskutiert.

Während der TV-Club seine Grundsätze öffentlich festhält, setzt das elipamanoke eher auf gelebte Praxis als Statements. Andy betont: “Wir drücken unsere Positionierung durch unser Programm und Verhalten aus. Aktionen wie queere Veranstaltungsreihen zeigen, wofür wir stehen.” Letztlich sind aber auch Statements manchmal von Nöten, wie die Offenheit des Clubs bezüglich der Spiking-Problematik (Juli 2023) gezeigt hat.


Ist es eure Aufgabe, Gästen politisch etwas mitzugeben?

Politische Neutralität vs. Aktivismus

Philipp vom TV-Club sagt: “Wir möchten politisch neutral bleiben, haben uns aber an Aktionen zur Wahlmobilisierung beteiligt. Unsere Grundsätze durchzusetzen, hat bei einigen jungen Gästen schon einen Lerneffekt erzeugt.”

Engagement im elipamanoke

Auch hier wurde zur Wahlmobilisierung aufgerufen. Andy meint jedoch: “Wir wollen uns nicht zu Positionierungen zwingen lassen. Zuletzt haben viele Outcalls auf Social Media überhand genommen.” Da müsse man überlegen, was man sich als Club leisten könne, und wo eine Grenze gezogen werden sollte.

Diskurs im Conne Island

Jan sieht den Club als Ort politischer Meinungsbildung: “Wir laden Leute ein, mit uns zu diskutieren und überlegen aktiv, wie wir Räume dafür schaffen können.” Er gibt jedoch zu: ” Diskussionen auf Social Media polarisieren sehr oft und führen zu sich weiter verhärtenden Fronten. Leider haben wir noch keine perfekte Lösung, aber unser monatlicher Kennenlern-Stammtisch wäre ein konkretes Angebot, um die gegenseitigen Haltungen im Austausch verstehen zu lernen.”


Fazit: Ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich

Die Diskussion zeigte deutlich, dass Leipziger Spielstätten unterschiedlich sind und ihre Eigenheiten haben, wofür oder wogegen sie sich entscheiden und was Ihnen besonders wichtig ist. Sie sind nicht homogen in ihrer Zusammensetzung, sondern demokratisch, offen organisiert. In aufgeheizten Debatten, besonders auf Social Media, entsteht oft ein einseitiges Bild. Dieser kleine Einblick als Zusammenfassung einer Podiumsdiskussion zeigt die gar nicht so einfachen Entscheidungsprozesse und das Engagement der Beteiligten. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.