Das Institut fuer Zukunft schließt. Der Standort muss für die Kultur erhalten bleiben! Die sächsische Clubkultur braucht weiterhin Hilfe!

Sachsen, 11.06.2024

Pressemitteilung der Live Initiative Sachsen und des LiveKommbinat Leipzig:
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Das Institut fuer Zukunft schließt. Der Standort muss für die Kultur erhalten bleiben! Die sächsische Clubkultur braucht weiterhin Hilfe!

Die Schließung des renommierten Leipziger Techno-Clubs Institut fuer Zukunft (IfZ) – Mitglied des LiveKommbinats Leipzig e.V. sowie der Live Initiative Sachsen e.V. – markiert einen weiteren großen Verlust für die sächsische und bundesweite Clubkultur. Nachdem Leipzig in den letzten Jahren bereits das So&So, das mjut, 4Rooms und die Distillery verlor, hat die Geschäftsführung des IfZ die Schließung des Clubs zum Jahreswechsel 2024/2025 bekanntgegeben. Seit langem insistiert die Live Initiative Sachsen in Papieren und Gesprächen mit Minister:innen und Amtsträger:innen, dass die Spätfolgen der Pandemie und der gesamtwirtschaftliche Abschwung die Existenz der sächsischen Clubs bedrohen. Doch Forderungen nach Rettungsmaßnahmen wurden entweder direkt vom Tisch gewischt oder mit einem weiten Pass in Richtung Kommunen abgegeben. Die Folge ist nun der Verlust eines der bedeutendsten sächsischen Clubkultur-Projekte.

Das IfZ wurde in den letzten Jahren zunehmend durch eine Kombination finanzieller und politischer Herausforderungen belastet. Nach einem sehr erfolgreichen Jahr 2019 brachen die Einnahmen mit der Corona-Pandemie ein. Trotz der Wiedereröffnung im Jahr 2022 konnte man diese Verluste nicht ausgleichen. Die Inflation und krisenbedingte Kostensteigerungen führten zu erheblichen finanziellen Belastungen und folglich zur Erhöhung der Eintrittspreise. Dies hatte wiederum zur Folge, dass weniger neue Besucher:innen kamen, als dringend nötig gewesen wären. Diese Entwicklung ist auch in anderen Spielstätten in Sachsen und auch bundesweit zu beobachten. Das zeigt etwa die jüngste Erhebung des nordrhein-westfälischen Landesverbands LINA, der zufolge 77% der Clubs in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Über die Hälfte der Betreibenden verzeichne einen Einbruch der Gästezahlen um die 30 Prozent. Für das IfZ erhöhte sich der finanzielle Druck obendrein durch nachträglich angepasste Förderbedingungen von Corona- Soforthilfen, die in unerwarteten Rückforderungen mündeten. 

Zur Wahrheit gehört, dass es immer schon Clubs- und Livemusikspielstätten gab, die aus betrieblichen Gründen schließen mussten. Das liegt nicht nur daran, dass Musikdarbietung ein recht volatiles Geschäft sein kann. Es liegt vor allem am grundsätzlichen Charakter von Clubs und Livemusikspielstätten als Kultur- und Szenewirtschaftsbetriebe. Wie alle Unternehmen sind sie natürlich angehalten, ihre Kosten zu decken. Was sie jedoch von anderen Unternehmen unterscheidet, ist ihre besonders intrinsische Motivation, ein bezahlbares, möglichst progressives und kulturell wertvolles Programm auf die Beine zu stellen. Dafür sind sie bereit, Einnahmen zu investieren, Veranstaltungen querfinanzieren und die allzu oft prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Clubkultur hinzunehmen. Wenn Betreiber:innen aber unter dem Renditedruck ersticken, kann es auch kein vielfältiges Programm geben, keine Exzellenz und keine Nachwuchsförderung; dann leiden Diversität, Inklusion und Awareness und nicht zuletzt die ohnehin gebeutelte Belegschaft. Ohne Subventionen, die diese Effekte abmildern, bleibt auf kurz oder lang die einzige Alternative, mit wehenden Fahnen unterzugehen.

Ist es also aus mit dem Club, wird eine etwaige, der Renditeerwartung entsprechende Folgenutzung in der Regel keine kulturelle sein und weder ein besonders vielfältiges noch ein für das breite Publikum bezahlbares Angebot bereit halten. Eine Clubschließung birgt immer die Gefahr, dass der Standort für die kulturelle Nutzung unwiederbringlich verloren geht und somit der Möglichkeitsraum für Kultur innerhalb einer Stadt immer kleiner wird. Das ist die Erfahrung, die wir nach Clubschließungen vielerorts machen müssen: Was lange Jahre kulturell genutzt wurde, wird zum Lager, zum Coworking-Space oder zum Wohnraum umfunktioniert. Oder noch schlimmer: In Erwartung größerer Rendite erfolgt erst gar keine Nutzung: Leerstand. Immerhin, die Nachnutzung befriedigt einen konkreten wirtschaftlichen Bedarf, der niemanden stört und genug Geld einbringen wird …

Doch das Schicksal des Leipziger Kohlrabizirkus, in dem sich das IfZ seit 10 Jahren befindet, muss anschließend nicht clublos sein. Eigentümer des Gebäudes ist die Stadt Leipzig, die es 2021 von einem Immobilienentwicklungsunternehmen für 12 Millionen Euro kaufte und in die Verwaltung der stadteigenen Entwicklungsgesellschaft LEVG integrierte. Schon damals sah die Stadtverwaltung „[..] den Deal als einmalige Chance für Sport, Kultur und Freizeit in Leipzig. Durch den S-Bahn-Haltepunkt fast vor der Haustür könne das Areal auch überregional Anziehungskraft entfalten, eventuell eine Kletterhalle, Trampolin-Park, Parkour-Strecke, Band-Proberäume, Galerien, Ateliers aufnehmen“. Solange der politische Wille vorhanden ist und eine Verwaltung tätig wird, liegt also fast ein bisschen Zukunft nach dem Institut fuer Zukunft in der Luft.

Einer etwaigen kulturellen Weiternutzung steht momentan entgegen, dass das Nutzungskonzept für diesen Bereich nicht vorliegt und die notwendigen Maßnahmen, darunter der Brandschutz, noch nicht oder nur teilweise umgesetzt sind. Viel schwerer wiegt allerdings, dass nicht klar ist, was potentielle Betreiber:innen zu erwarten haben: 

Wird es überhaupt Flächen für einen Club oder eine Livemusikspielstätte geben? Wird es angemessene, bezahlbare Mieten geben, die für einen Kulturbetrieb abbildbar sind? Darauf gibt es bisher keine Antworten. Der Planungsprozess ist zu langwierig und für potentielle Nutzer:innen zu intransparent. Es gilt, dass hier bald Klarheit hergestellt wird, um einer kulturellen Folgenutzung eine bezahlbare Perspektive zu geben. Ein aktueller Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat geht in die richtige Richtung.

Doch so oder so wird das Institut fuer Zukunft eine große Lücke in der Clubkultur hinterlassen – aber auch seine Spuren! Und wir möchten nicht versäumen, den dezidiert politischen, kollektivistischen und emanzipatorischen Ansatz dieser Institution hervorzuheben. An diesem Ort der Musik, der Gemeinschaft und der Begegnung haben die Gründer:innen und Nachfolgegenerationen über 10 Jahre lang kollektiv an dem für sie passenden Teppich politischer Grundausrichtung gewoben – der eben nicht nur Konflikten sondern auch bedeutenden Diskursen den Boden bereitet hat, die unsere Clubkultur und die eine lebendige Demokratie dringend brauchen. Auch wenn bestimmte Positionen, Entscheidungen und Verfahrensweisen des IfZ nicht allen geschmeckt haben mögen, dieser Ort wird eben doch einer der wenigen gewesen sein, wo grundsätzliche Fragen einer anderen, einer besseren Welt überhaupt besprochen und nach Möglichkeit in die Praxis überführt wurden. Und dieses Selbstverständnis braucht es mehr denn je! 

Aber es erfordert Mut und Kraft, sich als Club soziokulturell zu engagieren und an politischen Diskursen zu beteiligen und eben nicht nur für das blanke Vergnügen zu sorgen. Und es wird künftig noch mehr Mut und Kraft brauchen – das haben die Europa- und Kommunalwahlen sehr deutlich gemacht und es ist zu befürchten, dass die anstehende Landtagswahl dies nochmal unterstreichen wird. Angesichts all dessen braucht es eine Szene, die sich konstruktiv-kritisch aber am Ende wohlwollend und solidarisch zeigt, anstatt sich in Flügelkämpfe verstricken und spalten zu lassen und einander mit Hass, Häme und Boykotten zu überziehen. Und es braucht endlich das entschlossene und gemeinsame Handeln aller demokratischen Parteien, um die sächsische Clubkultur im Bestand zu schützen. Es wird nicht reichen, Clubs in Sonntagsreden und auf Preisverleihungen als Kultur anzuerkennen. Was es braucht, ist echte Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit, denn Clubkultur ist keine Kultur zweiter oder dritter Klasse, sondern ganz einfach Kultur. Und als solche ist sie zu schützen und zu fördern!

LiveKommbinat Leipzig e.V.,
LISA – Live Initiative Sachsen e.V.