Auswirkungen des Coronavirus auf die Leipziger Club- und Live-Musikszene und Forderungskatalog

15. März 2020

Die Auswirkungen der aktuellen Krise sind bisher nicht abzuschätzen. Leipziger Clubs- und Musikspielstätten stehen momentan vor einer nie zuvor dagewesenen Situation. Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, haben die meisten freiwillig ihre Veranstaltungen abgesagt. Damit übernehmen sie, wie viele andere auch, Verantwortung für die gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die uns momentan bevorsteht. 

Bei den Clubs, Veranstalter*innen und innerhalb der gesamten Szene besteht größte Unsicherheit. Die einzige Gewissheit besteht in der akuten wirtschaftlichen Bedrohung: Die Zahlungsfähigkeit der Clubs hängt massiv von der Durchführung von Veranstaltungen ab, da Rücklagen in der Regel kaum oder nicht vorhanden sind. 

Durch die jetzigen temporären Schließungen sind die meisten Clubs und Live-Musik-Spielstätten ganz real von der Insolvenz bedroht. Erste Priorität für alle Betroffenen ist nun, laufende Ausgaben soweit wie möglich zu senken und mit den vorhandenen Mittel so lange wie möglich zu überleben. Für nicht Wenige heißt das, dass in den nächsten Wochen offene Rechnungen nicht mehr beglichen werden können. Spätestens zum Sommerloch wäre der komplette Bankrott erreicht. Angesichts der existenzbedrohenden Krise für die Clubs und Live-Musik-Spielstätten dieser Stadt stellt sich die Frage, was nach mehrmonatiger Zwangspause noch von der vielfältigen Szene übrig bleiben wird.

Die mittelfristigen Folgen des Verschwindens etlicher Clubs und Musikspielstätten lassen kaum umkehrbare Auswirkungen befürchten: Der sinnstiftende und gesellschaftlich verbindende Wert von Clubs und Musikspielstätten – wenn sie einmal verschwunden sein würden – ist kaum zu ersetzen. Für eine Stadt wie Leipzig, die sich durch die vielfältige Szene definiert und u.a. durch steigende Besucher*innenzahlen aus aller Welt und Imagesteigerungen von dieser profitiert, wäre der Verlust nicht tragbar.

Natürlich wären die Clubs und Live-Musik-Spielstätten nichts ohne ihre Künstler*innen und Mitarbeiter*innen. So würde mit dem Verschwinden der Clubs auch der Musikveranstaltungssektor und der musikalischen Nachwuchs Leipzigs nachhaltig Schaden nehmen. 

Wir sprechen uns daher für schnelle und effektive Maßnahmen aus, welche das Rennen in den Abgrund verlangsamen und verhindern können. Konkret muss die Zahlungsfähigkeit der Clubs während der Krise sichergestellt werden. Wir setzen dabei auf die Unterstützung durch unsere Besucher*innnen und Sympathisant*innen und auf die Solidarität zwischen den Betreiber*innen und Branchenverbänden. Konkrete Hilfsmittel werden schnellstmöglich vorbereitet (“Soli-Ticket”). 

So wie wir einen – im Moment noch freiwilligen – Beitrag zur Eindämmung des Corona-Virus leisten, erwarten wir, dass den Clubs- und Live-Musikspielstätten dieser Stadt ebenso solidarisch und schnell geholfen wird. Wir bauen auf eine konstruktive und schnelle Koordination mit der Stadt Leipzig und dem Freistaat Sachsen. Konkrete staatliche Unterstützungen werden ein unerlässliches Element sein, die Auswirkungen der Corona-Krise zu verringern und die Leipziger Club- und Live-Musik-Spielstätten zu erhalten.

Forderungskatalog 

An die Stadt Leipzig

Das Wichtigste im Moment ist schnelle und unbürokratische Hilfe, um Liquiditätsengpässe und daraus folgenden Insolvenzen zu vermeiden. Dabei ist es entscheidend, dass die Unterstützung innerhalb der nächsten zwei Wochen anläuft, da sonst die ersten Insolvenzen drohen.

Weiterhin sind einheitliche und rechtsverbindliche Regelungen zur Zulässigkeit für alle Veranstaltungen nötig. Die bisherige Umsetzung der Einschränkung von Veranstaltungen führt zu mehr Verunsicherung als Klarheit und benachteiligt verantwortungsbewusste Clubs und Spielstätten.

Es ist zeitnah die Einrichtung eines Krisenstabs für bedrohte Leipziger Kulturbetriebe und Künstler*innen und die Benennung kompetenter Ansprechpartner*innen in der Verwaltung nötig, um die vor uns liegenden Aufgaben schnell und zielführend zu lösen. Hier könnte auch Unterstützung organisatorischer Art wie Beratungen, welche weitere Hilfen aus anderen Quellen möglich sind, angesiedelt werden. 

Wir benötigen in Leipzig die Einrichtung eines Rettungsschirms für Leipziger Clubs- und Musik-Spielstätten, Künstler und Soloselbständige im Veranstaltungssektor. Dieser könnte sich aus den Einnahmen der Leipziger Gästetaxe speisen.

Weiterhin sind folgende Punkte wichtig:

  • die Prüfung von Vergünstigungen, Stundungen oder sonstigen Kostenersparnissen für Clubs und Musik-Spielstätten, die über die stadteigenen Betriebe veranlasst werden können.
  • Umwidmung bereits existierender Fördertöpfe, die aufgrund nicht stattfindenden Veranstaltungen nicht abgerufen werden und den Aufbau eines Fonds zur Unterstützung sächsischer Clubs, Musikspielstätten, Künstler und sonstige Kulturschaffender.
  • Einzug fälliger Steuern oder Beiträge bis auf Weiteres auszusetzen und wenn möglich, geleistete Vorauszahlungen insbesondere der Gewerbesteuer zu erstatten. So kann Liquidität für die Musikspielstätten geschaffen werden.
  • Entschädigungszahlungen für entgangene Einnahmen, um den Clubs die Möglichkeit zu geben, laufende Verbindlichkeiten zu bedienen, die sonst aus dem regulären Geschäftsbetrieb hätten beglichen werden. Kredite oder Bürgschaften sind an dieser Stelle weniger hilfreich, da sie die schwierige wirtschaftliche Lage nicht verbessern.
  • Unterstützung der Clubs bei Verhandlungen mit Vermietern, um eine zeitliche begrenzte Stundung oder Erlass der Mietzahlungen zu erwirken.

An das Land Sachsen

Allein die Kommunen können den Kraftakt nicht allein stemmen. Wir regen daher ein koordiniertes Vorgehen auf allen Ebenen an.

Wir fordern das Land Sachsen auf, einen Fonds zur Unterstützung sächsischer Clubs, Musikspielstätten, Künstler*innen und sonstige Kulturschaffender auszubauen, aus dem schnell und unbürokratisch Hilfe geleistet werden kann.

Weiterhin sind Ausfallbürgschaften und Mikrokredite denkbar. Wir verweisen hier ausdrücklich auf die Forderungen des Kreativen Sachsen, die unter anderem hier zu finden sind

Bundesregierung, Arbeitsagenturen, Krankenkassen

Von der Bundesregierung fordern wir, Länder und Kommunen bei der Rettung der Kultur zu unterstützen.

Die Clubs werden gezwungen sein, einen Teil der Belegschaft in Kurzarbeit zu schicken, um Kosten zu senken. Wir benötigen auch hier kompetente Ansprechpartner, die uns bei der unbürokratische Beantragung von Kurzarbeitergeld beraten und unterstützen.

Die Schließungen der Clubs trifft besonders auch viele Minijobber, die genauso auf die regelmäßigen Einnahmen angewiesen sind. Wir fordern daher die vorübergehende Ausweitung der Kurzarbeiterregelung auf geringfügig Beschäftigte.

Weiterhin ist eine vorübergehende Aufnahme von Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung denkbar, um soziale Härtefälle zu vermeiden.

Von den Krankenkassen erwarten wir die Möglichkeit, aktuell offene Krankenkassenbeiträge stunden zu können.

Wir regen auf Bundesebene eine zeitlich begrenzte Lockerung der Insolvenzordnung für Kapitalgesellschaften aus besonders betroffenen Wirtschaftszweigen an. Aktuell wären viele sehr schnell gezwungen, Insolvenz anzumelden. Mit dieser Maßnahme würde Zeit geschaffen werden, bis Hilfsprogramme greifen.

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